Green Bond Standard
Grüne Anleihen sind in den letzten Jahren zwar attraktiver geworden, machen jedoch nur einen Bruchteil der insgesamt in der EU emittierten Anleihen aus (4 % im Jahr 2020). Ursächlich hierfür ist nach Ansicht der EU-Kommission vor allem das Fehlen einheitlicher, rechtsverbindlicher Kriterien, die grüne Anleihen erfüllen müssen. Dies soll sich mit der Etablierung eines EU-weiten Green Bond Standard (EuGBS), der als höchstes Gütesiegel in diesem Marktsegment fungieren soll, ändern. Ziel ist es, einen verlässlichen Rahmen für Investoren zu schaffen und zugleich dem Greenwashing entgegenzuwirken, indem die Einhaltung der hohen Anforderungen einer externen Prüfung unterzogen wird.
Eine kurze Übersicht über die wesentlichen Charakteristika des EuGBS:
• Die Entscheidung über die Nutzung des EuGBS-Labels bleibt den Anleiheemittenten überlassen, sodass auch andere Marktstandards – wie die Green Bond Principles der ICMA – neben dem EuGBS weiterhin Anwendung finden können.
• Die vorgesehenen, standardisierten Berichterstattungsformate sollen auch anderen nachhaltigkeitsorientierten Bonds zur Verfügung stehen, die sich als grün bezeichnen, aber nicht als EuGBS qualifizieren (z.B. sustainability-linked bonds).
• Emittenten sollen – anders als von der EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen – bis zu 15 % der Emissionserlöse für die Finanzierung von noch nicht von der Taxonomie abgedeckten wirtschaftlichen Tätigkeiten nutzen (flexibility pocket approach).
• Der EuGBS soll erst nach einer zwölfmonatigen Übergangsfrist ab Veröffentlichung im EU-Amtsblatt anwendbar sein.
• Für bereits emittierte grüne Anleihen wird ein siebenjähriges Grandfathering gelten. Aufgrund diverser Meinungsunterschiede zu zentralen Ausgestaltungsmerkmalen eines EuGBS-Labels haben sich die Trilog-Verhandlungen als besonders schwierig erwiesen. Die vorläufige Einigung, die am 28. Februar 2023 erzielt wurde, markierte den Abschluss dieser Gespräche. Die finale Fassung der EuGBS-VO muss noch von EU-Parlament und EU-Rat (förmlich) angenommen werden. Als vorläufiges Datum für die erste Plenarsitzung im EU-Parlament ist der 12. Juni 2023 vorgesehen. Derzeit rechnen wir mit einer Veröffentlichung der EuGBS-VO im EU-Amtsblatt erst im vierten Quartal 2023.
Unsere Positionen
Wir stehen der Einführung eines EU-weiten Green-Bond-Labels grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Es bleibt abzuwarten, wie groß das Investoreninteresse an den Kapitalmärkten nach dem neuen EU-Label sein wird.
Wir unterstützen die freiwillige Natur der Regelung. Die Einführung eines verpflichtenden EuGBS würde nach unserer Auffassung eine Flucht in andere Anleiheformen mit weniger stringenten Qualitätskriterien (z.B. ESG-linked bonds) auslösen und das angestrebte Ziel der Standardisierung im Bereich der grünen Anleihen unterminieren.
Wir haben uns während des Gesetzgebungsverfahrens wiederholt für einen vollumfänglichen Bestandsschutz („full grandfathering“) ausgesprochen, damit Investoren sich darauf verlassen können, dass Anleihen, die als grün emittiert wurden, für ihre gesamte
Laufzeit und unabhängig von nachträglichen Anpassungen der Taxonomie-Kriterien, weiterhin als grün gelten. Der nun gefundene Kompromiss eines siebenjährigen Bestandsschutzes wird unserem Petitum zwar nicht gerecht, stellt aber eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag dar.
Wir halten eine 100%ige Taxonomie-Konformität – insbesondere zu Beginn des EuGBS – für unrealistisch. Daher begrüßen wir die eingeräumte Flexibilität, bis zu 15 % der Erlöse aus einem EuGBS in Sektoren investieren zu können, die noch nicht von der EU-Taxonomie abgedeckt sind.
Wir werden uns für weitere nötige Konkretisierungen und praxisgerechte Lösungen auf Level 2 einsetzen.