Aktuelle Themen Wertpapierabwicklung
Die CSDR (Zentralverwahrerverordnung) legt in Europa den zweiten Geschäftstag nach dem Handelsabschluss als den spätesten Tag für die Abwicklung eines Wertpapiergeschäfts fest. Damit hat Europa gegenwärtig einen Abwicklungszyklus von T+2. Neben den Vorreitern China und Indien haben seit Ende Mai 2024 auch die USA, Kanada, Mexiko und Argentinien ihren Abwicklungszyklus auf T+1 verkürzt. Weitere Länder planen dies mittelfristig zu tun (Australien und Neuseeland befinden sich im Bewertungsprozess, UK hat sich auf Ende 2027 festgelegt). Die Verkürzung dient dazu, Risiken zu verringern und die Wertpapierabwicklung auf den Finanzmärkten zu stärken und zu modernisieren. Die Verkürzung des Abwicklungszyklus betrifft alle Handelsgeschäfte, sodass von dieser Umstellung alle Prozesse entlang der Handels- und Wertpapierabwicklungskette betroffen sind.
Die CSDR verlangt von der ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), bis Ende 2024 einen Bericht zur Verkürzung des Abwicklungszyklus in der EU vorzulegen. Dieser soll folgende Punkte berücksichtigen:
- Angemessenheit einer Verkürzung des Abwicklungszyklus und potenzielle Auswirkungen einer solchen Verkürzung auf Marktinfrastrukturen und andere Marktteilnehmer
- Kosten-Nutzen-Analyse
- Wege zur Erreichung eines kürzeren Abrechnungszyklus
- Überblick über internationale Entwicklungen
Entsprechend hatte die ESMA Ende 2023 den Markt zu einer Verkürzung sowohl auf T+1 als auch auf T+0 (Instant Settlement) befragt. Anfang Juli 2024 führt die ESMA eine öffentliche Anhörung zur Verkürzung des Abwicklungszyklus durch. Parallel befassen sich europäische und internationale Verbände mit den praktischen Problemen der Umsetzung im Bereich Handel, Confirmations- und Matching-Prozesse, Clearing sowie Abwicklung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der Problematik, wie in 27 Mitgliedstaaten die Handels- und Abwicklungsprozesse standardisiert, vereinfacht und besser aufeinander abgestimmt werden können.
Unsere Positionen
Wir meinen, dass die Umstellung in den USA analysiert werden sollte, um daraus Rückschlüsse auf eine möglichst optimale Vorbereitung in der EU zu ziehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Vorbereitung auf die Umstellung in den USA drei Jahre gedauert hat (ein Markt, ein Rechtssystem, einheitliche Standards und wenige Infrastrukturanbieter), halten wir eine Umsetzung in der EU mit 27 verschiedenen Systemen bis Ende 2027 für sehr ambitioniert.
Wir sind der Meinung, dass es für eine erfolgreiche Verkürzung des Wertpapierabwicklungszyklus fundamental ist, alle Marktteilnehmer (einschließlich der Marktinfrastrukturen, wie Börsen, CSDs und CCPs) gleichmäßig zur Steigerung der operativen Effizienz zu verpflichten. Bestehende Nachhandelsprozesse müssen erheblich angepasst, manuelle Eingriffe möglichst vermieden und das Funding (einschließlich der Devisengeschäfte) verändert werden. Ein Abwicklungszyklus von T+1 verkürzt die verfügbare Zeit für diese Nachhandelsprozesse auf faktisch einen Tag. Dadurch werden operative Risiken erhöht – wenn auch im Gegenzug Gegenparteirisiken reduziert werden könnten und Liquidität freigestellt werden könnte.
Wir sehen es kritisch, dass mit einer Umstellung auf T+1 in bestehende Prozesse investiert wird, um diese effizienter zu machen. Die dafür benötigten Gelder stehen für andere Innovationen (Nutzung der Distributed Ledger Technology), die ein Instant Settlement ermöglichen würden, nicht zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund sollte kritisch hinterfragt werden, ob die Kosten, die durch weltweit unterschiedliche Abwicklungsfristen entstehen, so hoch sind, dass sie eine Umstellung in der EU rechtfertigen, oder ob stattdessen in neue Technologien und ein Instant Settlement investiert werden sollte.