Früchte des Zorns - Ein Artikel von Anne Huning

Früchte des Zorns - Ein Artikel von Anne Huning

Wie können Banken durch Wirtschaftskrisen verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen? Dazu müssen sie sowohl die Köpfe als auch die Herzen der Menschen erreichen. der Schlüssel dazu liegt in der Kommunikation. 

1939 erschien das Buch "Früchte des Zorns" des US-amerikanischen Schriftstellers John Steinbeck. Der Roman schildert das Schicksal der in den 1930er Jahren durch die "Große Depression" und Dürrejahre hoch verschuldeten Farmer in Oklahoma und Arkansas. Sie werden von den Grundbesitzern vertrieben und ziehen von der "Dust Bowl" zu Hunderttausenden nach Kalifornien, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Für die meisten erfüllte sich diese Hoffnung nicht.

Das "Ungeheuer" in dieser Geschichte ist schnell ausgemacht. Es sind die Banken, die "keine Luft atmen und sich nicht von Fleisch nähren. Sie atmen Profite, und sie nähren sich von Geldinteressen." Die Ausführungen Steinbecks fielen auf fruchtbaren Boden. Nach dem Zusammenbruch des Bankensystems und der anschließenden Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre war das Vertrauen der Menschen in die Banken gering.

Vertrauensverlust durch Wirtschafts- und Finanzkrisen

Das war 1939. Es folgten der Zweite Weltkrieg, der eiserne Vorhang und unzählige kleinere und größere Katastrophen. Doch gleichzeitig gab es auch einen nie gekannten Wirtschaftsaufschwung, infolge dessen der Lebensstandard der Menschen enorm stieg. Ohne ein funktionierendes Banken- und Finanzsystem wäre das so nicht möglich gewesen. In Deutschland wurde sogar die größte Förderbank des Landes gegründet, deren expliziter Auftrag die Finanzierung des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft war. Die Banken spielten eine wichtige und positive Rolle. Entsprechend stieg das Vertrauen der Menschen in sie. 2009, also knapp 70 Jahre nach Erscheinen von Steinbecks Roman, erschütterte dann eine weitere Wirtschafts- und Finanzkrise das Vertrauen der Menschen in ebenjenes Banken- und Finanzsystem. Auf dem Höhepunkt der Krise vertrauten laut Umfragen gerade einmal noch 40 Prozent der Menschen den Banken. Den meisten war klar, dass die Krise verschiedene Ursachen hatte. Trotzdem sah ein Großteil von ihnen die Geschäfte der Banken als hauptursächlich an.

Und jetzt? Zehn Jahre später hat sich im Bankensektor viel getan. Die meisten Akteure haben ihre Hausaufgaben gemacht und das Finanzsystem ist heute sicherer als vor der Finanzkrise. Gerade in der Corona-Zeit spielen die Banken aktuell eine gewichtige Rolle, allen voran, wie schon beim Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Förderbanken. Sie waren Teil der Lösung, als es darum ging, die krisengeschüttelten Menschen, Kommunen und Unternehmen mit staatlichen Hilfsgeldern zu versorgen.

Und trotzdem: Das Vertrauen in Banken ist immer noch gering. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Gallup dazu eine Umfrage. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur 44 Prozent hätten Vertrauen in Banken und Finanzinstitute, mehr als jede/r Zweite misstraut ihnen. Offenbar konnte die Branche das in der Finanzkrise verloren gegangene Vertrauen noch nicht wieder zurückgewinnen.

Ohne Vertrauen können unsere Gesellschaft und Wirtschaft nicht funktionieren, denn dann müsste bei jeder Entscheidung jegliches Risiko ausgeschlossen oder zumindest in Erfahrung gebracht werden. Dieses Szenario würde enorme Transaktionskosten nach sich ziehen. Das ist nicht sinnvoll, deshalb vertrauen wir. Damit riskieren wir aber natürlich, dass dieses Vertrauen enttäuscht wird und wir Nachteile erleiden. Doch auch die andere Seite trägt ein gewisses Risiko. Sie kann Vertrauen verlieren und für zukünftige Transaktionen als Partner ausgeschlossen werden – und am Beispiel der Banken haben wir gesehen, wie schwer es ist, einmal verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen.

Wie Banken Vertrauen zurückgewinnen können

Vertrauen hat dabei zwei Dimensionen: eine intellektuelle und eine emotionale. Vertrauen entsteht zum einen durch die Beurteilung des vergangenen und gegenwärtigen Verhaltens einer Person. Sie erfolgt entweder durch uns selbst oder durch Dritte. Doch aus Erfahrung weiß jeder, dass diese intellektuelle Dimension nicht reicht. Es braucht das Gefühl, dass man jemandem vertrauen kann. Denn wer uns emotional nicht erreicht und durch Authentizität überzeugt, dem traue ich auch nicht über den Weg. Das Herz hat also erheblich Anteil an der Entscheidung, ob wir vertrauen oder nicht.

Damit Banken verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen können, müssen sie also sowohl die Köpfe als auch die Herzen der Menschen erreichen. Der Schlüssel hierzu liegt insbesondere in der Kommunikation. Sie kann eine vertrauensbildende Brücke zwischen den Banken und den Menschen sein, wenn sie die intellektuelle ebenso wie die emotionale Ebene anspricht. Damit dies gelingt und Kommunikation ihre volle Wirkung entfalten kann, muss sie jedoch einige zentrale Merkmale aufweisen. So muss eine auf Vertrauensbildung ausgerichtete Kommunikation…

…verständlich sein: Das Ziel jeglicher Kommunikation sollte es sein, verstanden zu werden. Die Materie, die Banken kommunizieren, ist sehr komplex. Trotzdem müssen die eigenen Inhalte verständlich ausgedrückt werden. Banken haben in den letzten zehn Jahren viel getan, was unser Vertrauen rechtfertigt. Diese Errungenschaften auch verständlich zu kommunizieren, ist wichtig. Es gilt: Nur wen ich verstehe, dem vertraue ich.

…transparent sein: Banken sind seit der Finanzkrise wesentlich resilienter geworden und haben sich in die richtige Richtung weiterentwickelt. Es ist wichtig, einen offenen Dialog darüber zu führen, was man aus der Vergangenheit gelernt hat. Es gilt: Wer offen und proaktiv frühere Versäumnisse anspricht, dem vertraue ich.

…authentisch sein: Jede Branche hat ihren eigenen Stil, auch die Banken- und Finanzwelt. Anstatt sich künstlich anzupassen, sollte die Branche zu ihren Besonderheiten stehen und diese bestmöglich für die eigene Kommunikation nutzen – was durchaus bedeuten kann, genau diese Eigenheiten auch mal aufs Korn zu nehmen. Es gilt: Wer echt ist und sich nicht verstellt, dem vertraue ich.

…dialogorientiert sein: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Banken spielen im Leben der Menschen eine wichtige Rolle. Deshalb wollen sie nicht nur verstehen, was Banken sagen, sondern wollen auch gehört und bedacht werden. Moderne Kommunikationstools, insbesondere die sozialen Medien, bieten viel Spielraum für eine dialogorientierte Kommunikation auf Augenhöhe. Die entsprechenden Möglichkeiten sollten von Banken noch stärker genutzt werden. Es gilt: Wer mir auf Augenhöhe begegnet, dem vertraue ich. 

…sinngeleitet sein: Banken spielen eine zentrale gesellschaftliche Rolle. Sie machen unser Wirtschaftssystem erst möglich und damit auch unseren Wohlstand. Das ist ihr Auftrag und ihr Sinn. Das zu Beginn genannte Beispiel der größten deutschen Förderbank zeigt, dass die Aufgabe öffentlicher Banken sogar noch darüber hinausgeht. Sie setzen große gesellschaftliche Projekte durch Zuschüsse und Darlehen um. Der Auftrag und die Sinnhaftigkeit von Banken muss stärker kommuniziert werden. Es gilt: Wessen Sinn und Aufgabe ich kenne, dem vertraue ich.   

…menschlich sein: Vielleicht der wichtigste Punkt. Kommen wir noch einmal zurück zum Roman von Steinbeck. Er beschreibt Banken als Wesen, die nichts Menschliches mehr an sich haben. Doch das stimmt so nicht. Jede Bank besteht aus Menschen, den vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie arbeiten gleichzeitig für die Menschen. Hier liegen Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Dabei geht es zum Beispiel um den Kredit, der es einem Unternehmer oder einer Unternehmerin ermöglicht, seinen bzw. ihren beruflichen Traum zu leben oder um den Zuschuss über eine Förderbank, der die Schaffung von Wohnraum für junge Menschen und Familien finanziert. Es gilt: Wer menschlich ist, dem vertraue ich.

Verständlich, transparent, authentisch, dialogorientiert, sinngeleitet und menschlich – jedes Mal, wenn Banken so kommunizieren, und damit die Köpfe wie auch die Herzen der Menschen erreichen, pflanzen sie einen Samen, aus dem Vertrauen erwachsen kann. Die Früchte, die man erntet, sind dann keine Früchte des Zorns. Es sind Früchte des Vertrauens.
 

Der Artikel ist am 30.07.2020 bei politik&kommunikation erschienen.

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