Die Start-up-Flüsterin

Artikel öffnen: Anvita Mudkani im Gespräch

Anvita Mudkani kennt die Berliner Gründerszene – sie ist Senior Investment Manager in der IBB Ventures. Im Interview mit #GemeinsamGestalten erzählt die 39-Jährige, was für sie den Ausschlag für ein Investment gibt, von der Rolle des sozialem Unternehmertums und warum die Hauptstadt so hip für Start-ups ist.

Frau Mudkani, wenn Gründer bei einem potenziellen Investor wie der IBB Ventures pitchen, ist das wie ein Flirt: Beide Seiten wollen etwas voneinander. Worauf achten Sie beim Erstkontakt?

Es sollte eine gelungene Mischung sein. Auf der einen Seite muss es sich um ein einzigartiges Produkt handeln und die rinnen und Macher sollten eine schlüssige Vertriebs- und Marketingstrategie entwickelt und einen ausreichend großen Markt im Fokus haben. Lohnt sich also das Risiko einer Beteiligung für uns? Auf der anderen Seite muss auch die menschliche Ebene stimmen – Sympathien gehören ganz klar dazu, da ich mit den Gründerinnen und Gründern meist über mehrere Jahre eng zusammenarbeite. Passt die Chemie, gestaltet sich eine geschäftliche Beziehung umso angenehmer. Interessanterweise erlebe ich es schon mal, dass in den Vertragsverhandlungen vor Abschluss einer Beteiligung die ersten positiven Eindrücke auf den Prüfstand gestellt werden.

... weil es nun knallhart ums Geschäft geht?

Ich verstehe, dass beide Seiten versuchen, ihr Ergebnis möglichst zu optimieren. Es ist die Frage, wie sie damit auch persönlich umgehen. Aber das gehört auch zur Arbeit mit Gründern – meine Kolleginnen und Kollegen und ich sind Profis, wir können das richtig einschätzen. Es bedarf eines Fingerspitzengefühls, weil wir nicht vor erfahrenen Geschäftsleuten sitzen, sondern Entrepreneurs, die die ersten Schritte ins Business wagen. Das Wichtigste ist mir aber immer, dass Gründerinnen und Gründer von Anfang an ehrlich zu mir sind und ich ihnen vertrauen kann. Das schafft eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und da habe ich mittlerweile ein gutes Bauchgefühl entwickelt, ob jetzt nur Feenstaub versprüht wird.

Ein Bauchgefühl, das Sie nach fast zehn Jahren als Investmentmanagerin in der IBB Ventures entwickelt haben?

Das stimmt. Hinzu kommt, dass ich nach meinem Master in International Management in verschiedenen Berliner Start-ups tätig war. Dort konnte ich diese besondere Gründerkultur aufsaugen. Im Gegensatz zu etablierten Unternehmen kann alles etwas chaotischer sein, weil Strukturen fehlen und Ressourcen begrenzt sind. Aber dieser Pioniergeist strahlt wiederum eine starke Anziehungskraft auf mich aus. Als ich über einen Bekannten vor ein paar Jahren erfuhr, dass IBB Ventures Verstärkung sucht, habe ich mich beworben, um die Rollen zu wechseln. Jetzt kann ich mit finanziellen Beteiligungen den Start von kleinen Unternehmen ermöglichen.

Was macht für Sie den Reiz von Startups aus?

Es ist sehr inspirierend, mit Gründerinnen und Gründern zusammenzuarbeiten. Sie wollen etwas bewegen und zeigen dabei viel Mut. Ich habe den höchsten Respekt davor, wenn junge Menschen Risiken eingehen, um etwas auf die Beine zu stellen. Und wenn wir das möglich machen, macht es mich stolz, zu sehen, wie sich die Jungunternehmerinnen und -unternehmer auf dem Markt behaupten.

Es ist inspirierend, mit Gründerinnen und Gründern zusammenzuarbeiten.

Welche Start-ups sind in Ihrem Portfolio?

Zum Beispiel Skoove, das online Klavierkurse anbietet, sowie Vetevo, eine digitale Plattform rund um das Thema Tiergesundheit, oder die Lese-App Blinkist, die Sachbücher auf die wesentlichen Kernaussagen in kurzen Texten reduziert. Insgesamt betreut das Investment-Team, zu dem ich gehöre, drei Fonds mit einem Gesamtvolumen von 120 Millionen Euro in der Investitionsphase. Mittlerweile sind wir an mehr als 90 Berliner Unternehmen beteiligt, die mehr als 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und über 590 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften.

Wie kommt der Kontakt zustande?

Unterschiedlich, viele Start-ups kontaktieren uns direkt oder kommen über Netzwerkkontakte. Wir hatten rund 700 Beteiligungsanfragen im vergangenen Jahr, die unser Investment-Team prüft und bewertet. Aber es kommt auch vor, dass wir Unternehmen proaktiv ansprechen, wenn wir Themen besonders spannend finden.

Einfach so?

(Lacht.) Ja, wie die Female Company. Das Berliner Start-up bietet nachhaltige Periodenprodukte und baut eine Plattform rund um das Thema Frauengesundheit. Das Thema war für mich sehr wichtig, weil ich gerade aus der Elternzeit kam, und ich fand die Idee super. Zufälligerweise war das Team der Female Company in einer Fundraisingphase und so kamen wir schnell zusammen.

Warum ist aus Ihrer Sicht Berlin so beliebt bei Gründerinnen und Gründern?

Berlin hatte mal eine günstige Kostenstruktur. Miete, Büroräume, Lebensunterhalt – für junge Leute mit wenig Geld und großen Plänen war das ein Traum. Nun ist die Hauptstadt längst nicht mehr so preiswert, doch es hat sich eine Art Graswurzelbewegung für Kreativität, Kultur und Talente gebildet. Diese kommen aus der ganzen Welt, um am etwas verrückten, aber auch inspirierenden Berliner Leben teilzunehmen. Mittlerweile werden auch viele unserer Meetings mit den Start-ups in Englisch abgehalten, so viel zur Internationalisierung der Stadt. Und was macht am Ende die Unternehmen groß? Es sind die diversen Teams.

Denken Sie auch persönlich ab und zu darüber nach, ein Start-up zu gründen?

Bis jetzt fehlt mir eine gute Idee! (Lacht.) Den Wunsch hätte ich schon, obwohl mir die Risiken bewusst sind. Es ist einfach so spannend. Aber ich habe noch ein bisschen Zeit, wenn ich mir beispielsweise unseren bislang ältesten Gründer ansehe: einen fast 70-jährigen Professor, der sich mit einem Biotech-Projekt selbstständig gemacht hat.

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