Von Hip-Hop bis zur Haushalts- und Finanzpolitik ist Dr. Danyal Bayaz nichts fremd. In Berlin hat er in seiner Zeit im Deutschen Bundestag maßgeblich an der Aufarbeitung des Wirecard-Skandals mitgewirkt. In Baden-Württemberg sorgt er seit 2021 als Finanzminister für solide Verhältnisse.
„ES WÄRE NAIV ZU SAGEN, SO ETWAS WIE WIRECARD WIRD NIE WIEDER PASSIEREN“

Lieber Herr Minister Bayaz, blicken wir zunächst nach Berlin. Die Ampel ist schon eine Weile in Amt und Würden. Wie bewerten Sie die bisherige Finanzpolitik der Bundesregierung?
Zunächst muss man sich vor Augen führen, dass die Ampel kurz nach dem Start mit einer historischen Ausnahmesituation konfrontiert war. Die CoronaPandemie hatte man gerade halbwegs hinter sich gelassen, da steht mit dem fürchterlichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die nächste Katastrophe vor der Tür. Beide Krisen haben natürlich auch die finanzpolitischen Entscheidungen geprägt – und in beiden Krisen hat die Bundesregierung klug und überlegt gehandelt und die Wirtschaft und die Menschen durch wichtige Maßnahmen entlastet. Trotzdem sind wir finanzpolitisch noch nicht da, wo wir hinmüssen – denn es wurde auch viel Geld ,mit der Gießkanne‘ verteilt.
Und wie steht es um die Finanzpolitik in Baden-Württemberg?
Auch wir mussten Politik in einer absoluten Ausnahmesituation machen. Dabei haben wir versucht, die Quadratur des Kreises hinzubekommen: Wir wollten zum einen die Menschen entlasten, die unter der Inflation und den hohen Energiepreisen leiden. Zweitens mussten wir nach den hohen Ausgaben während der Corona-Pandemie die Finanzen konsolidieren und drittens mussten und wollten wir gleichzeitig in die Zukunft investieren. Wir sind Industriestandort in Baden-Württemberg und wollen das auch bleiben.
Als Politik setzen wir auf die öffentlichen Banken als zentrale Partner.
Sprechen wir über Geldwäsche. Ende letzten Jahres haben Sie gesagt, Deutschland sei immer noch ein Geldwäsche-Paradies. Woran hapert es?
Es hapert vor allem bei der Bearbeitung von Verdachtsmeldungen. Es gibt unheimlich viele dieser Verdachtsmeldungen. Davon werden aber nur sehr wenige Fälle an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Man sucht also die Nadel im Heuhaufen. Da müssen wir zielgenauer werden. Dabei kommt es vor allem darauf an – und daran hapert es noch ein bisschen –, dass die Behörden gut zusammenarbeiten.
Der Bundesfinanzminister plant jetzt eine Art Bundesfinanzkriminalamt. Eine gute Idee?
Ich finde es erst einmal richtig, klarzumachen, dass wir dem Thema gerecht werden wollen und müssen. Aber einfach nur eine neue Behörde auszurufen, reicht nicht – auch wenn der Name schön knackig klingt. Viel wichtiger als der Name ist aber, dass eine solche Behörde mit der notwendigen Kompetenz und Schlagkraft ausgerüstet ist. Und gleichzeitig muss es ein klares Zielbild für die Tätigkeit der Institution geben und einen Plan, wie sie effizient mit den anderen Akteuren zusammenarbeiten kann. Also zusammengefasst: Gute Idee, aber die Umsetzung muss stimmen – und da habe ich noch ein paar Fragezeichen.
Das Finanzkriminalamt müsste ja auch mit der AMLA zusammenarbeiten. Frankfurt hat sich als Standort beworben …
Also, Stuttgart ist ja die Nummer 2 hinter Frankfurt …aber klar, in Frankfurt sitzen nicht nur große Banken, Sparkassen etc., sondern auch die europäische Zentralbank und die Bundesbank. Ich denke, wenn die AMLA nach Frankfurt käme, wäre das ein starkes Signal für den Finanzstandort Deutschland. Und aufgrund der vielen Player in Frankfurt – auch im Bereich Regulatorik – könnte man hier Netzwerkeffekte schaffen.
Sprechen wir über einen der größten Finanzskandale Deutschlands, Wirecard. Könnte so etwas nochmal passieren?
Es wäre naiv zu sagen, so etwas wird nie wieder passieren. Aber es gab im Zuge von Wirecard einen Untersuchungsausschuss und die Politik hat aus der Aufarbeitung des Falls die notwendigen Lehren gezogen und entsprechende Gesetze erlassen. Gleichzeitig wurden die zentralen Institute, zum Beispiel die BaFin, gestärkt, damit sie besser gegen solche Betrügereien vorgehen können

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz über die Finanzpolitik der Bundesregierung, die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Wirecard-Skandals und das Schicksal von Tupac Shakur.
Kommen wir von Fehlern der Vergangenheit zu den Projekten der Zukunft. Was halten Sie von den Plänen zum digitalen Euro?
Sehr viel! Es gibt aus meiner Sicht zwei wichtige Zielsetzungen: Zum einen ist das ein innovationspolitisches Thema. Deutschland ist ein Industrieland mit Maschinenund Anlagebauern. Und diese Maschinen werden im Zuge der Digitalisierung immer mehr untereinander kommunizieren und dann auch untereinander das Thema Bezahlung digital regeln. Gleichzeitig ist es eine geopolitische und sicherheitsrelevante Frage. Andere Regierungen basteln schon lange an Digitalwährungen – ebenso wie Privatunternehmen. Europa sollte da unabhängig bleiben, Stichwort europäische Souveränität. Klar ist aber auch, dass bei dem Projekt noch viele Fragen offen sind. Wichtig ist, dass es einen klaren Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger gibt. Gleichzeitig müssen Standards beim Datenschutz eingehalten werden. Und natürlich müssen Banken ein integraler Bestandteil des Finanzsystems bleiben.
Wenn wir über Digitalisierung und Innovation sprechen, wie sehen Sie die Rolle der öffentlichen Banken?
Die notwendige Transformation ist das Megathema unserer Zeit. Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Dringlichkeit verdeutlicht und Prozesse beschleunigt. Die öffentlichen Banken sehe ich hier als wichtige Treiber und Gestalter der Transformation in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Sie begleiten ihre Kundinnen und Kunden auf dem Weg in die Zukunft. Als Politik setzen wir auf die öffentlichen Banken als zentrale Partner. Aber natürlich muss es auch hier ein gesundes Verhältnis zwischen Risiko und Rendite geben und auch die öffentlichen Banken arbeiten nicht im luftleeren Raum, sondern unterliegen dem regulatorischen Rahmen.
Auch Sozialunternehmen sind Treiber der Transformation, sind aber in den vergangenen Jahren ein bisschen unter die Räder gekommen. Was können wir tun?
Klar ist, dass wir innovative Unternehmen brauchen. Wir in Baden-Württemberg haben ein gutes Ökosystem etabliert mit Spitzenuniversitäten und einer veritablen Gründerkultur. Aber natürlich waren die Corona-Jahre hart und Investoren haben sich zurückgezogen. Deshalb ist es wichtig, dass wir Start-ups auf Bundesebene und auf Ebene der Länder unter die Arme greifen und die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen.
Beim Thema Unternehmensgründungen sind wir da schon auf einem guten Stand, aber es geht natürlich auch darum, die Unternehmen in der Wachstumsphase zu begleiten.
Kommen wir nochmal zur Nachhaltigkeit. Was halten Sie eigentlich von der Taxonomie – super Instrument oder Bürokratiemonster?
Ich glaube, das Instrument ist richtig und wichtig, wenn es darum geht, Kapital in die richtige Richtung zu lenken, nämlich in nachhaltige Projekte. Wichtig ist aber, dass das System praktikabel ist, vor allem auch für kleine und mittlere Unternehmen. Nur wenn man die Taxonomie umsetzen kann, wird sie auch akzeptiert und gelebt.
Sollte das System auch um die soziale Taxonomie erweitert werden?
Ein Schritt nach dem anderen. Grundsätzlich ist es richtig, auch auf die sozialen Faktoren zu schauen. Aber auch hier muss das System klar und gut anwendbar sein. Es darf keine Schnellschüsse geben, sondern wir brauchen einen breiten Beteiligungs- und Diskussionsprozess.
Sind vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs auch Rüstungsinvestitionen bald taxonomiekonform?
Das ist eine legitime Frage und ein Thema, mit dem wir ernsthaft und verantwortungsvoll umgehen müssen. Gerade meine Partei hat in den vergangenen Monaten gezeigt, wie das geht – wir mussten einige schmerzhafte Entscheidungen treffen. Grundsätzlich bleibe ich dabei, dass weniger Waffen auf der Welt besser wären, aber ich bin auch nicht naiv und weiß, dass wir in einer Welt voller Konflikte leben. Deshalb wird es weiterhin den Bedarf geben und der muss finanziert werden.
Genug softe Fragen, kommen wir zu den harten Themen. Sie mögen Hip-Hop. Wären Sie aktuell lieber Hip-Hopper als Politiker?
Ich glaube, meine Hip-Hop-Skills sind nicht ausreichend, um damit Geld zu verdienen. Ich könnte vielleicht ein paar Freunde bei einem Bier entertainen, aber für mehr reicht es leider nicht.
Also sind Sie nicht der nächste Tupac. Apropos, ist Tupac irgendwo da draußen?
Tupac ist unter dramatischen Umständen gestorben. Ich glaube, das ist auch Teil seiner Legende und es hat ihn in gewisser Weise unsterblich gemacht.