„Öffentliche Banken sind Beschleuniger von Innovationsprozessen“

Dr. Florian Toncar, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, über die finanzpolitischen Pläne der Ampel-Regierung und die Rolle der öffentlichen Banken bei der Modernisierung des Landes.

Sehr geehrter Herr Dr. Toncar, wie fühlt es sich an, als FDP wieder in der Regierungsverantwortung zu sein?

Auf dieses Ziel haben wir systematisch hingearbeitet, denn die FDP ist eine Partei, die den Anspruch hat, politisch zu gestalten. Deutschland ist jetzt in einer Phase, in der grundlegende Weichenstellungen anstehen – bei der Modernisierung unseres Landes, der Digitalisierung, dem Umbau unserer Volkswirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit. Da ist es wichtig, dass auch eine liberale Kraft in der Verantwortung ist.

Am Ende der Koalitionsgespräche hatte man den Eindruck, dass sich die FDP in vielen Punkten durchgesetzt und sich zugleich das Wunschministerium, das Finanzressort, gesichert hat. Sind die Liberalen mit dem Finanzminister Christian Lindner die Gewinner der Ampel?

Die Koalitionspartner haben sich von Beginn an darauf verständigt, nicht in Gewinner-Verlierer-Logik zu denken. Klar ist, dass der Koalitionsvertrag viele Kompromisse enthält. Aber wir Freien Demokraten finden uns sehr gut darin wieder. Das Finanzministerium ist natürlich ein Schlüsselressort. Hier sind die Gestaltungsmöglichkeiten sehr groß, denn das Ministerium spielt in den meisten politischen Bereichen eine wichtige Rolle. Hinzu kommt, dass wir mit vielen Kernanliegen im Wahlkampf finanzpolitische Themen adressiert haben, insbesondere das Festhalten an der Schuldenbremse. Solche Themen

kann man im Finanzministerium umsetzen. Aber natürlich freuen wir uns auch über die Verantwortung in den Bereichen Bildung und Forschung, Verkehr und Digitalisierung sowie Justiz.

Neben der Schuldenbremse haben Sie im Wahlkampf auch dafür geworben, dass es keine Steuererhöhungen geben darf. Gleichzeitig sollen mehr staatliche und private Investitionen getätigt werden. Wie wollen Sie das alles in Einklang bringen?

Das bedingt sich ein Stück weit, denn würden wir Steuern erhöhen, dann würden wir so zum Beispiel die privaten Investitionen erschweren. In Deutschland werden etwa 90 Prozent der Investitionen vom Privatsektor getätigt. Hier müssen wir Anreize setzen. Gleichzeitig wollen wir auch die öffentlichen Investitionen in Zukunftstechnologien erhöhen. Mit dem Nachtragshaushalt nehmen wir dafür noch einmal 60 Milliarden Euro in die Hand. Wir investieren damit in Bereiche, die wichtig sind für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes – Stichwort Klimaschutz. Aber ich sage auch ganz deutlich, dass der Staat nicht für alles zuständig sein kann und soll. Wir investieren dort, wo es sinnvoll ist, halten aber gleichzeitig an der finanzpolitischen Solidität fest. Diesen Weg sollten wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa gehen. Die Lösung kann nicht immer sein, neue Schulden zu machen. Vielmehr sollten wir überlegen, wie wir die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, gezielter investieren können.

Wir wollen die öffentlichen Investitionen in Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit erhöhen.

Wie sehen Sie dabei die Rolle der öffentlichen Banken? 

Den öffentlichen Banken kommt eine ganz zentrale Rolle zu. Die Förderbanken agieren an der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, denn sie arbeiten mit öffentlichen Mitteln und im öffentlichen Auftrag. Sie sind vor allem auch dort gefragt, wo der Markt allein nicht für notwendige Innovationen sorgt – sie sind somit Beschleuniger von notwendigen Innovationsprozessen. Gleichzeitig müssen auch die von öffentlichen Instituten finanzierten Projekte wirtschaftlich sein. Zudem wird durch die Aktivitäten der öffentlichen Banken natürlich auch viel privates Kapital mobilisiert. Das ist auch der Charme unseres Systems, dass nämlich durch die Förderbankenstruktur und die weiteren öffentlichen Banken private und öffentliche Investitionen zumeist Hand in Hand gehen. Auch deswegen hat dieses System eine so hohe Akzeptanz in Wirtschaft und Gesellschaft – und auch im Bankensektor selbst.

Sie haben das Thema Innovationen angesprochen. Wie innovationsfähig sehen Sie die deutsche Bankenlandschaft?

Der Bankensektor in Deutschland ist zunächst einmal sehr wettbewerbsintensiv. Dieser Wettbewerb ist zwar gut für den Verbraucher, er führt aber auch zu einer geringeren Profitabilität der deutschen Banken. Gleichzeitig stehen die Institute vor großen Herausforderungen, Stichwort Digitalisierung. Hier gibt es noch Nachholbedarf. Als Politik ist es dabei unsere Aufgabe, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen: der rechtliche Umgang mit Daten, mit datengetriebenen Geschäftsmodellen, der Zugang zu Schnittstellen etc. Das sind alles Themen, die es zu regeln gilt. Wichtig ist bei all diesen Themen, dass wir ein „level playing field“ für alle Akteure auf dem Finanzmarkt etablieren. Gleichzeitig muss dieses Feld aber auch innovationsfreundlich sein! Und ich glaube, da schlagen wir mit dem Koalitionsvertrag den richtigen Weg ein. Auch indem wir uns zur Finanzbranche als einem in Deutschland gern gesehenen Wertschöpfungsfaktor bekennen, der zu Lösungen beiträgt, die Umsetzung von Ideen ermöglicht und einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Transformation der Gesellschaft in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit leistet.

Im Koalitionsvertrag bekennen wir uns zur Finanzbranche als einem in Deutschland gern gesehenen Wertschöpfungsfaktor.

Der promovierte Jurist Dr. Florian Toncar war bereits von 2005 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags und vier Jahre lang Vorsitzender des Finanzmarktgremiums. 2017 und 2021 zog er erneut in das Parlament ein. Seit Dezember 2021 ist er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. Dr. Florian Toncar ist verheiratet und Vater dreier Kinder.

Beim Thema Nachhaltigkeit kommt man schnell zur Taxonomie. Aktuell wird die Frage diskutiert, ob auch Atomenergie und Gas als nachhaltig eingestuft werden sollten. Wie ist Ihre Position dazu?

Zunächst ist es sehr begrüßenswert, dass viele Investoren – ob privat oder institutionell – zunehmend nachhaltig investieren wollen. Deshalb brauchen wir Standards, die für die nötige Transparenz auf dem Markt sorgen. Aus diesem Gedanken ist die Taxonomie entstanden. Das Raster soll Vergleichbarkeit bieten, darf aber nicht dazu führen, dass Investitionen in Gut und Böse eingeteilt werden. Die Taxonomie sollte entsprechend dem Anlegerschutz dienen, aber kein globales Steuerungsinstrument der Politik für die Wirtschaft sein. Wenn das gelingt, ist die Taxonomie ein sehr gutes Instrument. Gleichzeitig müssen wir dann aber auch über die Kriterien sprechen, sprich: Was genau ist eigentlich nachhaltig? Diese Frage ist oft gar nicht so leicht zu beantworten, selbst, wenn es zum Beispiel um Windräder oder Elektroautos geht. Aber erst recht wird es schwierig, wenn wir über Atomenergie und Gas sprechen. Klar ist, dass Atomenergie für viele Länder in Europa ein wichtiges Element zur Dekarbonisierung ist. Gleichzeitig bleiben aber Bedenken in Bezug auf die Sicherheit und natürlich ist die Entsorgungsthematik weiterhin ungeklärt. Deswegen ist die Atomenergie in unseren Augen auch nicht nachhaltig. Beim Gas hingegen sehen wir das anders. Gas ist für uns eine klassische Übergangstechnologie. Wenn ein effizientes Gaskraftwerk ein wesentlich CO2- intensiveres Kohlekraftwerk ablöst – also nicht zusätzlich in Betrieb genommen wird –, dann ist das für uns ein ökologischer Fortschritt. Und wenn dieses Gaskraftwerk in 15 oder 20 Jahren auch noch umgerüstet werden kann auf einen Wasserstoffbetrieb und damit vollständig klimaneutral betrieben werden kann, dann ist das für uns absolut im Einklang mit den deutschen und europäischen Klimazielen.

Sie haben die Herausforderungen benannt – Stichwort Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wenn wir jetzt mal nicht nur auf die Taxonomie, sondern generell auf das Thema Regulierung schauen – beispielsweise auch auf Basel IV – müsste man da nicht sagen, wir lassen die Zügel noch eine ganze Weile etwas lockerer, damit die Institute die Herausforderungen stemmen können?

Wir haben im Koalitionsvertrag die Vereinbarung getroffen zu überprüfen, welche der im Zuge der Corona-Pandemie eingeführten Erleichterungen dauerhaft beibehalten werden sollen. Bei der Umsetzung von Basel IV werden wir natürlich darauf achten, dass dies investitionsfreundlich geschieht. Gleichzeitig müssen Risiken mit ausreichend Kapital hinterlegt sein. Dies haben wir im Hinterkopf, wenn wir die Vorschläge der EU-Kommission prüfen und begleiten.

Wir haben über das Thema Nachhaltigkeit gesprochen. Das hat ja verschiedene Dimensionen. Sich nachhaltig aufzustellen heißt zum Beispiel auch, als Organisation divers zu sein. Nun haben die FDP und die deutsche Bankenlandschaft hier eines gemeinsam: Sie sind wenig divers bzw. haben zum Beispiel zu wenig Frauen in Führungspositionen. Wie lässt sich das ändern?

Diversität ist für moderne Organisationen ein Schlüsselfaktor, um erfolgreich zu sein. Nun liegt es mir fern, den öffentlichen Banken hier Ratschläge zu erteilen, und ich weiß, dass zum Beispiel der VÖB eine weibliche Hauptgeschäftsführung hat. Aber schauen wir auf meine Partei: Als FDP arbeiten wir mit verschiedenen Initiativen und Förderprogrammen daran, unsere Diversität zu erhöhen. Dabei geht es auch um die Kultur innerhalb der Partei, die wir reflektieren und dort, wo sie vielleicht wenig attraktiv für Frauen ist, auch ändern. Dies ist aus unserer Sicht wesentlich zielführender als starre Quoten.