„Es ist Aufgabe von Politik, Krisen zu meistern“

Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas, MdB, über das Krisenmanagement der Bundesregierung, die Praxistauglichkeit der Taxonomie und darüber, was öffentliche Banken für unser Land leisten.

Frau Magwas, wir sind hier in Ihrem Wahlkreis in Auerbach, in Ostdeutschland. Fühlen Sie sich ostdeutsch?

Also, wenn man mich fragt, sage ich immer, ich bin Vogtländerin. Hier bin ich geboren und aufgewachsen und hier bin ich mit meiner Familie zuhause. Das Vogtland ist eine wunderschöne Region …

… in der Ihre Partei bei der letzten Bundestagswahl die meisten Direktmandate an die AfD verloren hat. Sie konnten Ihres verteidigen. Wie ist Ihnen das gelungen?

Ich bin viel vor Ort und immer ansprechbar für die Menschen und ihre Anliegen. Ich denke, die Leute merken, dass ich mich kümmere und dass ich ihre Interessen hier, aber auch in Berlin mit viel Herzblut vertrete.

Ich möchte das anderen aber nicht in Abrede stellen. Ich kenne viele, die trotz ihres großen Engagements ihren Wahlkreis verloren haben.

Sie sind nicht nur ostdeutsch, sondern auch eine junge Frau. In der CDU haben Sie damit Exotenstatus.

Ganz so würde ich das nicht sagen. Es gibt in meiner Partei einige junge Frauen, auch junge Mütter, die sich engagieren. Insbesondere im Rahmen der letzten Bundestagswahl hat sich da auch in der Fraktion viel getan. Aber natürlich müssen wir als Partei, aber auch der Politikbetrieb insgesamt, attraktiver werden für Frauen.

 

Grundsätzlich würde ich dafür plädieren, dass Regulierung praktisch gut umsetzbar und flexibel anwendbar sein sollte.“

Wie attraktiv ist Politik im Moment überhaupt noch? Man rennt von Krise zu Krise.

Natürlich würde man sich wünschen, es gäbe keine Krisen. Aber es ist ja nun mal Aufgabe von Politik, solche Krisen zu meistern und das Land und die Menschen sicher durch schwierige Zeiten zu führen. Aber eine Verschnaufpause, vor allem für uns als Gesellschaft, wäre schon gut. Und auch für die Politik, einfach um zu sehen, welche Instrumente und Maßnahmen gut gewirkt haben und welche nicht, um gute Lehren zu ziehen …

Die Union war ja bis Herbst vergangenen Jahres in der Verantwortung. Welche Lehren würden Sie denn aus dem Krisenmanagement ziehen?

Also meine Lehre wäre: mehr Bund, weniger Land. Während der Corona-Pandemie war es einfach zu viel Flickenteppich, das haben die Menschen irgendwann nicht mehr verstanden. Besonders auffällig war das in meiner Heimat, hier im Vier-Länder-Eck, da war es schon schwierig, dass jedes Bundesland seine eigenen Regeln gemacht hat. Dieses Durcheinander hat die Menschen müde und auch wütend gemacht, das haben wir vor Ort sehr deutlich gespürt. Und noch eines: Die Krise hat deutlich gezeigt, dass wir bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mehr Tempo machen müssen.

Was halten Sie denn vom Krisenmanagement der aktuellen Regierung?

Natürlich ist die Situation dramatisch, Corona ist noch nicht vorbei und dann kam auch noch der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hinzu. Aber was fehlt, und das höre ich immer wieder in Gesprächen, ist der Plan. Die Menschen brauchen das Gefühl, dass die Politik weiß, wo es hingeht und wie wir gemeinsam durch diese Krise kommen. Die Regierung stellt ständig Einzelmaßnahmen vor, macht dabei handwerkliche Fehler – Stichwort Gasumlage, – man hat das Gefühl, dass da kein wirklicher Gesamtplan dahintersteckt. Das verunsichert die Menschen in unserem Land.

In Krisenzeiten bedient sich die Politik ja auch gern der Hilfe der öffentlichen Banken …

Auf jeden Fall. Die öffentlichen Banken tragen viel dazu bei, dass es unserem Land gut geht, das sage ich auch – insbesondere mit Blick auf die ostdeutschen Bundesländer. Ich bin zum Beispiel im regelmäßigen Austausch mit der Sächsischen Aufbaubank, die hier in der Region eine super Arbeit leistet. Aber auch bundesweit sind die öffentlichen Banken wichtige Krisenhelfer, das hat man während der Corona-Pandemie erneut gesehen. Aber sie sind gleichzeitig auch Treiber von Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Viel Lob, aber gibt es auch Kritik an den öffentlichen Banken?

Eher einen Wunsch, nämlich dass sich die öffentlichen Banken nicht aus den Regionen zurückziehen, sondern präsent bleiben für die Menschen und Unternehmen vor Ort.

Die Diplom-Soziologin Yvonne Magwas ist seit 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2021 konnte sie ihr Direktmandat im Vogtland verteidigen. Im Oktober 2021 wurde sie zur Bundestagsvizepräsidentin gewählt.

Bei all den Krisen und Zukunftsaufgaben, wäre es nicht an der Zeit, den Banken mal eine Pause bei der Regulierung zu gönnen?

Dafür habe ich grundsätzlich viel Sympathie. Aber da kommt natürlich viel auch aus Brüssel. Grundsätzlich würde ich dafür plädieren, dass Regulierung praktisch gut umsetzbar und flexibel anwendbar sein sollte. Schauen wir uns zum Beispiel einmal das Thema der Taxonomie an. Da kann man schon fragen, ob das alles effizient und praxisnah gestaltet ist.

Mit Blick auf die finanzpolitischen Projekte der Bundesregierung, finden Sie etwas davon besonders gelungen oder misslungen?

Was ich gar nicht gut finde, ist das Auslaufen des Baukindergeldes. Von diesem haben die Leute hier in der Region nämlich sehr profitiert. Das war ein super Instrument, weil man damit sowohl den ländlichen Raum als auch Familien unterstützt hat. Da frage ich mich dann schon, warum man das nicht weiterlaufen lässt.

Stichwort Familie. Sie selbst sind junge Mutter und versuchen, die Politik familienfreundlicher zu machen?

Ja, und das ist sowohl ein kulturelles als auch ein strukturelles Thema. Zum einen geht es darum, in den Köpfen etwas zu ändern. Allein, dass die Frage, wie man Kind und Politik unter einen Hut kriegen kann, immer nur den Frauen gestellt wird, finde ich schon nicht richtig. Auch Männer müssen Familie und Job irgendwie vereinbaren und stoßen auf Probleme. Übrigens brauchen wir genau diese Männer als Unterstützer – Väter, die mal sagen ‚So, ich gehe jetzt mal früher nach Hause, um für

mein Kind da zu sein, oder ich gehe ein paar Monate in Elternzeit.‘ Aber es geht natürlich auch um strukturelle Weichen, die man stellen muss. Zum Beispiel sollten Sitzungen des Bundestags nicht bis tief in die Nacht gehen. Außerdem könnte man feste Abstimmungszeiten einführen.

Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Diversität geht alle Arbeitgeber etwas an, auch die öffentlichen Banken. Haben Sie für die noch einen Tipp?

Weniger einen Tipp als einfach die klare und übrigens auch durch Studien belegte Aussage, dass diverse Teams besser funktionieren. Arbeitgeber können es sich entsprechend nicht leisten, auf Frauen zu verzichten.

Haben Politik und öffentliche Banken da auch eine Vorbildfunktion?

Auf jeden Fall, nur erfüllt insbesondere die Politik diese im Moment noch nicht wirklich. Bei den öffentlichen Banken sieht es da schon wesentlich besser aus, zumindest ist das mein Eindruck.

Ein junger Mann oder eine junge Frau, sollten die ihre Karriere eher in einer Bank oder in einem Fintech beginnen?

Definitiv in einer Bank. Ich kenne viele, die in einer Bank Karriere gemacht haben und die ordentliche und nette Menschen geblieben sind (lacht) – übrigens gilt das auch für die Politik.

Vielen Dank für das Gespräch!