„Förderbanken erleichtern das Gründen & Skalieren“

Im Interview mit Dr. Julia Freudenberg, Geschäftsführerin von Hacker School, Ben Buhlmann von SuperCoop, Sabrina Konzok, Vorstandsvorsitzende des Social Entrepreneurship Netzwerks SEND, und dem VÖB-Geschäftsführer Dominik Lamminger sprechen wir über Herausforderungen und Chancen für Sozialunternehmen und darüber, wie diese gemeinsam mit Förderbanken die Gesellschaft stärken.

 

Liebe Sabrina, steigen wir direkt ein: Ist Deutschland in Bezug auf Sozialunternehmen ein Entwicklungsland?

Sabrina: So drastisch würde ich das nicht ausdrücken. Wir sind nicht das Schlusslicht, aber wir sind auch nicht ganz vorne mit dabei.

Wir haben in Deutschland viele tolle Sozialunternehmen. Sie sind ein Beispiel für das, worum es geht. Denn Deutschland braucht starke Sozialunternehmen, die innovativ sind und unser Land insgesamt nach vorne bringen. Der Sektor wächst, schließt sich zusammen – zum Beispiel zum Social Entrepreneurship Netzwerk – und findet selbstständig Lösungen für Probleme. Aber klar ist auch, dass die Rahmenbedingungen besser werden müssen. Insbesondere braucht es mehr ganzheitliche Ansätze, um Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer pass- und zielgenau zu unterstützen, und weniger Einzelmaßnahmen, die dann im Zweifelsfall vielleicht gar nicht zusammenpassen.

Stichwort „zusammenpassen“. Dominik, als Vertreter des VÖB, wie würdest du sagen, passen Sozialunternehmen und öffentliche Banken zusammen?

Dominik: Das passt sehr gut zusammen und es gibt viele Gemeinsamkeiten. Zum einen haben beide einen gesellschaftlichen Auftrag. Bei Sozialunternehmen ist das selbsterklärend. Doch auch öffentliche Banken haben eine zweifache soziale Rolle. Zum einen sind sie Krisenhelfer – das haben sie während der Corona-Pandemie wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt, als sie mit Zuschüssen, Darlehen und Kreditmoratorien der Wirtschaft und Gesellschaft unter die Arme gegriffen haben. Gleichzeitig sind öffentliche Banken aber auch starke Motoren für die notwendige Transformation in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Öffentliche Banken sind Krisenhelfer aber auch starke Motoren für die notwendige Transformation in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Dominik Lamminger, Geschäftsführer des VÖB

Julia und Ben, wir wollen heute nicht nur über, sondern auch mit Sozialunternehmen sprechen. Wie seht ihr die Situation in Deutschland und was sind für euch die größten Herausforderungen?

Julia: Als Hacker School wollen wir junge Menschen für das Programmieren begeistern. Die Themen Digitalisierung und digitale Bildung haben zwar durch die Corona-Pandemie einen Schub bekommen. Doch es gibt immer noch dieses typische Silo-Denken. Das müssen wir aufbrechen und digitale Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehen. Daneben ist für uns natürlich die Finanzierung ein permanentes Thema. Da werden meist zeitlich begrenzt Projekte finanziert und man kriegt kurzfristig Bescheid, dass man in zwei Wochen mit 20 Leuten starten kann und sollte. Was wir brauchen, ist aber eine kontinuierliche finanzielle Grundlage und Förderung, damit wir planen können.

Ben: Da kann ich nur zustimmen. Die Finanzierung ist eine der größten Herausforderungen. Als SuperCoop sind wir ein gemeinschaftlich organisierter Supermarkt, und das funktioniert langfristig nur ab einer bestimmten Größe, da sprechen wir von anfangs 1.000 bis später 7.000 Mitgliedern. Um das aufzusetzen, müssen in der Start- und Wachstumsphase hohe Summen investiert werden. Und wenn man dann nach einer passenden Finanzierung sucht, kommt man schnell zu der Frage der Haftung – die kann die Handvoll Gründerinnen und Gründer nicht allein für die Super- Coop-Gemeinschaft tragen.

Sabrina Konzok, Vorstandsvorsitzende des Social Entrepreneurship Netzwerks SEND

Für uns war das Förderprogramm eine geniale Gelegenheit, unser Wachstum zu beschleunigen, um schneller den Punkt zu erreichen, an dem wir uns eigenständig tragen können.

Ben Buhlmann von SuperCoop

Ben Buhlmann von SuperCoop

Wie sieht es denn mit der Unterstützung durch Förderbanken aus?

Julia: Da tut sich zum Glück so einiges! Eines unserer Projekte wurde zum Beispiel durch die Stadt Hamburg bzw. die Hamburgische Investitions- und Förderbank IFB im Rahmen des Programms „Update Deutschland“ gefördert. Das war im Anschluss an den großen Hackathon, bei dem wir mit aktiv waren. Als wir von dem Programm erfahren haben, da war für uns schnell klar: Da bewerben wir uns. Und das war absolut die richtige Entscheidung. Denn da saßen wir dann als Hacker School zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Förderbank und haben uns sehr offen über die Themen, Probleme und Besonderheiten von Sozialunternehmen ausgetauscht. Da ging es um ganz grundsätzliche Fragen wie: Was sind eigentlich Sozialunternehmen und was brauchen die? Das war für beide Seiten ein wahnsinniger Lernprozess, der uns wirklich vorangebracht hat und am Ende dazu geführt hat, dass wir mit dem Fördergeld aus dem Programm der IFB ein tolles Projekt weiterentwickeln konnten.

Ben: Bei uns war es ähnlich, auch wir wurden durch die IFB und ihr Programm „Update Deutschland“ gefördert. Für uns war das Förderprogramm eine geniale Gelegenheit, unser Wachstum zu beschleunigen, um schneller den Punkt zu erreichen, an dem wir uns eigenständig tragen können.

Sabrina: Es ist toll zu sehen, dass hier Förderbanken und Sozialunternehmen so gut zusammengehen. Wir informieren unsere Mitglieder auch regelmäßig darüber, welche Fördermöglichkeiten es gibt und wie sie diese nutzen können. Gleichzeitig versuchen wir auch, die zentralen Akteurinnen und Akteure bei diesem Thema zusammenzubringen, um zu schauen, was gut läuft und auch, wo es Hürden gibt und wie man diese gemeinsam abbauen kann. Es gibt bei unseren Mitgliedern eine große Bandbreite an Rechtsformen und Finanzierungsmodalitäten – das macht es aber natürlich auch besonders herausfordernd, hier Lösungen zu finden, die für alle oder zumindest viele passen. Was wir sehen, ist, dass es bereits viele sehr gute Lösungen für die ersten Schritte eines Sozialunternehmens gibt, zum Beispiel den für Sozialunternehmen geöffneten GründerBonus in Berlin. Da kommen auch immer mehr Angebote hinzu. Wichtig ist aber auch, dass wir Lösungen finden für die Unternehmen, die schon eine Weile am Start sind und wachsen wollen. Hier gibt es noch viel zu wenige Optionen.

An diesen Themen arbeitet ihr ja auch gemeinsam mit Partnern wie dem VÖB …

Sabrina: Genau, da suchen wir uns als Verband natürlich auch Partner, mit denen wir Themen angehen können – nicht nur, aber natürlich auch beim Thema Finanzierung. Wir glauben daran, dass Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen müssen, um die wirklich großen Weichen zu stellen.

Dominik: Da sind wir als VÖB natürlich gerne mit SEND und anderen im Gespräch, um zu schauen, was gut läuft und eben auch um zu schauen, wo es Beispiele wie das Programm „Update Deutschland“ gibt, die als Blaupause dienen können. Und natürlich gibt es viele solcher Programme bei den Förderbanken. Bei der NRW.BANK zum Beispiel werden die Social Entrepreneurs mittels spezieller Informationsund Beratungsangebote auf Finanzierungsgespräche vorbereitet. Förderprogramme wie NRW.BANK.Gründung und Wachstum, aber auch NRW.Mikrodarlehen bieten eine passende Finanzierung. Insbesondere Mikrokredite, die für kleinere Gründungen geeignet sind und ohne Sicherheiten auskommen, sind auch für Sozialunternehmen bestens geeignet. Auch Zuschüsse sind eine gute Möglichkeit, so bietet zum Beispiel die IBB mit ihrem „GründungsBONUS“ ein Angebot mit bis zu 50.000 Euro als Existenzgründungszuschuss.

Dominik Lamminger, Geschätsführer des VÖB

Dr. Julia Freudenberg, Geschäftsführerin von Hacker School

Es geht also darum, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Wie könnten solche Lösungen aussehen?

Julia: Ich fände es zum Beispiel gut, wenn wir von dieser „Projektitis“ wegkämen. Warum können immer nur Sachen gefördert werden, die neu sind und für die ein neues Projekt aufgesetzt wird. Sollte nicht auch das, was gut funktioniert und erprobt ist, förderwürdig sein? Und zweitens wäre es toll, wenn der Aufwand für die Antragstellung ein wenig reduziert werden könnte, zum Beispiel, indem es eine Vorprüfung gibt, wo man auf der Grundlage einiger Daten ein erstes Feedback bekommt, ob der Antrag aussichtsreich ist. Das würde den ganzen Prozess wesentlich effizienter machen und auf Seiten der Sozialunternehmen viel Zeit sparen.

Dominik: Vereinfachung ist ein wichtiges Thema, aber das Thema ist vielschichtig. Es geht hier um öffentliche Gelder, mit denen sorgsam umgegangen werden muss. Das nehmen die Förderbanken sehr ernst. Dass unsere Institute in Krisenzeiten sehr flexibel agieren können, haben sie während der Corona-Pandemie mehr als eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Eine gute Freundin von mir betreibt ein kleines Kosmetikstudio. Nicht einmal zwei Jahre vor Corona hatte sie sich selbstständig gemacht. Als der Lockdown kam, hatte sie größte Sorge, wie sie ihr Unternehmen über Wasser halten kann. Ein paar Tage nach dem ersten Lockdown rief sie mich anund erzählte, dass sie einen Antrag bei der IBB gestellt hätte – und nicht mal 48 Stunden später sei die erste Hilfszahlung bei ihr eingetroffen.

Sabrina: Corona ist ein gutes Stichwort. Das war für unsere Mitglieder natürlich eine riesige Herausforderung – auch weil viele Sozialunternehmen sehr eng mit Menschen zusammenarbeiten. Aber wir haben auch gesehen, dass aus der Not viele neue Kooperationen entstanden sind, wo man sich gegenseitig geholfen hat. Egal in welchem Sektor – kooperative Lösungsansätze sind erfolgreicher.


Über Hacker School


Die Hacker School wurde gegründet, um Kinder und Jugendliche für das Programmieren zu begeistern. Mit verschiedenen Formaten verfolgen wir seitdem konsequent unser Ziel, dass jedes Kind in Deutschland – unabhängig von Geschlecht und Herkunft – einmal programmiert haben soll, um die digitale Welt verstehen und mitgestalten zu können. Durch die Einbindung von Unternehmen, Schulen, Netzwerken und der Politik machen wir dieses Ziel zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die wir erfolgreich lösen wollen.

Die Vision der Hacker School: Jeder junge Mensch soll in seiner Bildungslaufbahn mindestens eine Zeile Code geschrieben haben, wissen, wie Computer und Programme aufgebaut sind und ausprobieren, ob IT etwas für die persönliche Zukunft ist.

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Über SEND


SEND vernetzt den Social Entrepreneurship Sektor und gibt ihm eine Stimme. Der Verband bündelt die vielen Kräfte und Ideen zum Thema Social Entrepreneurship in Deutschland und verschafft den Sozialunternehmern ein größeres Gehör. All dies mit dem Ziel, eine sozialere, nachhaltigere Gesellschaft zu ermöglichen – und das mit den innovativsten Mitteln!

Neben der politischen Bildung und Interessensvertretung setzt sich SEND für mehr Bildung über und Sichtbarkeit von Social Entrepreneurship ein und
baut ein starkes Netzwerk von Sozialunternehmen deutschlandweit auf. Außerdem arbeitet der Verband daran, den Sektor insgesamt zu professionalisieren, sei es im Bereich Finanzierung, Gründungsberatung oder Wirkungsorientierung. SEND hat mittlerweile über 800 Mitglieder, die diese Arbeit jeden Tag gemeinsam umsetzen. Finanziert wird der Verein durch Mitgliedsbeiträge, Kooperationen und Förderprojekte – und durch Förderpartner.

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Über SuperCoop


SuperCoop Hamburg ist eine Initiative, die den ersten kooperativen Vollsortiment-Supermarkt in Hamburg eröffnen möchte – den fairsten Supermarkt der Stadt.

Die Idee lebt vom Mitmachen und Miteinander: Ziel ist es, einen Markt zu schaffen, von Menschen für
Menschen, in dem „gute“ Lebensmittel und Waren im Mittelpunkt stehen.

Ein Markt, der gemeinschaftlich betrieben wird: Jedes Mitglied erwirbt einen ideellen Anteil am Markt, hat ein Mitspracherecht und arbeitet drei Stunden pro Monat im Betrieb mit, so können Kosten und Preise gering gehalten und gleichzeitig LieferantInnen fair bezahlt werden.

Die Vorbilder in New York und Paris beweisen, dass das Modell erfolgreich funktioniert. SuperCoop Hamburg ist Teil einer wachsenden Bewegung, die den fairen Handel auch hierzulande realisieren möchte.

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