MiFID-Review / Retail Investment Strategy
Der Review der Finanzmarktrichtlinie MiFID II wird wohl erst im Mai 2023 mit ersten Gesetzesvorschlägen seitens der EU-Kommission im Rahmen ihrer Retail Investment Strategy (RIS) fortgesetzt. Die inhaltlichen Diskussionen zu einzelnen Themen wie einem möglichen Provisionsverbot sind indes bereits seit einiger Zeit angelaufen.
In der Praxis waren seit der letzten Überarbeitung der MiFID einige Regelungen immer wieder Anlass für private und institutionelle Kunden, sich über zu umfangreiche und redundante Informationen zu beschweren, die insgesamt zu übermäßig komplexen Abläufen im Wertpapiergeschäft geführt haben.
Der MiFID Quick Fix hat zur Abfederung der Folgen der Corona-Krise erste bürokratische Erfordernisse, insbesondere im Product-Governance-Bereich und bei Wertpapiergeschäften mit professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien, abgebaut. Die umfassende Überprüfung der MiFID II sollte ursprünglich zu weiteren Erleichterungen führen, es besteht aber aktuell die Gefahr, dass neue Vorgaben eingeführt werden, die das Wertpapier- und Kapitalmarktgeschäft deutlich komplizierter machen könnten.
So könnte die Kommission beispielsweise die Regelungen zu Provisionen verschärfen oder sogar ein gänzliches Provisionsverbot im MiFID-Kontext vorschlagen. Zudem diskutiert die Kommission im Zusammenhang mit ihrer RIS weitere Vorschläge wie den Personal Investment Plan oder den Value-for-Money-Ansatz.
Darüber hinaus wurden vorab, vor dem Hintergrund der ESG-Regulierung, bereits einige MiFID-Regelungen ergänzt, die seit August bzw. Ende November 2022 anzuwenden sind. So wurden die Vorschriften für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung, aber auch die für Emittenten relevanten Product-Governance-Vorgaben angepasst. Die Emittenten müssen in ihren Prozessen Nachhaltigkeitsfaktoren identifizieren und entsprechende Informationen zu ihren Produkten auch einem Zielmarkt zuordnen, der dann an die Vertriebsstellen zu kommunizieren ist. Zusätzlich sind kürzlich seitens der ESMA auch die Detailvorschriften zu den allgemeinen Product-Governance-Vorgaben wie der Zielmarktbestimmung überarbeitet worden, die zu Praxisanpassungen führen könnten.
Unsere Positionen
Wir sprechen uns dafür aus, den durch den MiFID Quick Fix eingeschlagenen Weg weiterzugehen und im Rahmen des MiFID-Reviews weitere Erleichterungen für das Wertpapiergeschäft vorzusehen.
Wir warnen vor der Einführung neuer, umfangreicher Regelungen. Dies betrifft insbesondere Verschärfungen bei den Regelungen für Provisionen oder die Einführung eines Value-for-Money-Ansatzes. Letzterer würde das Wertpapiergeschäft und die dahinterliegenden Prozesse weiter verkomplizieren. Provisionen ermöglichen es hingegen, Retailkunden – und damit auch den Beziehern kleinerer und mittlerer Einkommen – eine Vielzahl von Wertpapierdienstleistungen, u.a. die Anlageberatung, flächendeckend anzubieten. Die aktuellen Regeln sorgen für sehr hohe Transparenz und vermeiden Interessenkonflikte. Verschärfungen oder gar ein Verbot in diesem Bereich
könnten dazu führen, dass die Anlageberatung nur noch sehr eingeschränkt angeboten werden kann. Dies ist sehr bedenklich, da gerade über die ESG-Regulierung und die Ziele der Kapitalmarktunion mehr Anleger an die Kapitalmärkte gebracht werden sollen und die Anlageberatung dafür dringend benötigt wird.
Wir sprechen uns bei den ESG-Vorgaben gegen eine hohe Detailtiefe auf der untergesetzlichen Ebene mit Blick auf die Product-Governance-Vorschriften und Vorgaben in der Anlageberatung aus. Bereits heute sind von den Kunden eine Vielzahl an Informationen einzuholen und sie haben viele Entscheidungen zu treffen. Bei weiteren Vorgaben besteht aus unserer Sicht die Gefahr, dass die Kunden abgehängt werden. Auch die allgemeinen Product-Governance-Vorgaben sollten nicht noch weiter überfrachtet werden, da sich diese in der Praxis gut bewährt haben.